Diesen Akt spontaner Gastfreundschaft werde ich nicht vergessen: Es wird kalt im Winter in Antequera. Die Renaissancemetropole liegt im Bergland 50 km nördlich von Málaga, weit weg von den Stränden der Costa del Sol. Es war kalt in dem gedeckten Umgangspatio, auch wenn ein Kaminfeuer brannte. Doch sofort brachte der junge camarero ein brasero, füllte das Kupferbecken mit glühenden Kohlen und stellte es unter den Tisch.
Ich kam mir ein wenig vor wie im Siglo d’Oro, dem „goldenen“ 17. Jh. – so dürfte sich auch Cervantes bei seinem Besuch in Antequera aufgewärmt haben. Auch der Name Arte de Cozina entführt in diese glorreiche Vergangenheit, er zitiert den 1599 vom Madrilener Hofkoch Diego Granado herausgegebenen Kochbuchklassiker.
Und macht Geschichte schmeckbar. Die pepitoria de gallina, eine feinst abgestimmte Hühnereinmachsuppe mit Safran, Knoblauch, Petersilie und Schmalz vom Iberico-Schwein geht auf ein Rezept des Jahres 1611 zurück. Überhaupt ist die Karte eine linguistische Herausforderung: Viele Rezepte sind strikt regional, typisch für die Region Malaga. Etwa eine köstliche porra, eine cremige Knoblauch-Dotter-Kaltschale mit eingerührtem Orangensaft oder das Rebhuhn in warmer Gazpacho-Brühe.
Ein großes Thema sind Suppen, dampfgegarte guisos und cazuelas-Eintöpfe. Die Palette reicht von der duftigen Hühnerbrühe caldo de puchero, in der Minzblätter schwimmen, bis zur traditionellen olla potrida, dem legendären Entopf aus verschiedenen Fleischresten, der bis 1918 am Habsburger Kaiserhof in Wien nachgekocht wurde. Der Sud ausgekochter Schinkenknochen von wilden durch die dehesa (Eichenwald) streifenden Schweinen verleiht winterlicher olla aus Kastanien und Kichererbsen oder apart mit Fenchel abgeschmeckten weißen Bohnen das typisch andalusische Aroma – beim örtlichen Lebensmittelhändler hängen die abgesäbelten Knochen zum Verkauf aus. Dafür braucht es schon die gewaltigen Kochtöpfe in der offenen Küche.
Archaische hispanidad. Das umfasst Techniken wie das Reifen unter Schmalz in orza genannten Tonkrügen, aus der Zeit gefallene Gerichte wie Zunge vom Milchkitz, Raffinessen wie Schnecken in pikantem Mandeldip aber auch Leichteres wie Zwergartischocken mit frittierten Knoblauchzehen. Arte de cozina, wahre Kunst der Küche: es gelingt, durch feinste Würzung, überragende Fleischqualität und maßvolle Portionierung diesen Gerichten bäuerlicher Volksküche alle Schwere zu nehmen und sie zu ausgefallenen Geschmackserlebnissen zu machen. Die umfassende Weinauswahl mit Schwerpunkt Sierras de Malaga tut ein übriges, diesen Genuß abzurunden – mir ist der filigrane Tinto El Camaleón aus der seltenen autochthonern Rebsorte Romé aus der Gemarkung Axarquía in Erinnerung geblieben.
Bienmesabe – das klösterliche Mandel-Trockenfrüchte-Dessert Antequeras kann als Motto über diesem einzigartigen Restaurantkonzept stehen: Es schmeckt mir gut!
ARTE DE COZINA
Calle Calzada 27-29
ES–29200 Antequera (Málaga)
0034 952 840014
www.artedecozina.com