Fischlokale in Italien – eine lebenslange Passion und Freude. Natürlich habe ich meine absoluten Lieblinge wie die Maddalena auf der venezianischen Laguneninsel Mazzorbo, das Isgrò im brodelnden Fischmarkt von Palermo oder das in einer abgelegenen Bucht direkt am Äölischen Meer gelegene Da Pina auf Vulcano.

Letztes Jahr ist ein neuer Favorit dazugekommen – in Tropea, dem auf einer Felsknolle gelegenen barocken Badeort in Kalabrien. Ein touristisches Städtchen voller Buden, an denen höllisch scharfe `nduja-Paste aus Peperoncino und Schmalz, Lakritzlikör, Bergamotteseifen und Büschel rotvioletter Tropeazwiebeln angeboten werden. Das Patea, das es erst seit gut einem Jahr gibt, entdeckte ich beim Bummel durch eine ruhigere Seitengasse an einer winzigen Piazza. Mir fiel auf, dass das Publikum auf der kleinen Terrasse hauptsächlich aus Einheimischen bestand. Lässig elegant gekleidete, ich gestehe, ich habe eine Schwäche für die Bella Figura, die manche Italiener spielend hinkriegen.

Der erste Eindruck trog nicht. Ein Familienlokal, in dem höchster Wert auf Frische und Feinheit der Küche gelegt wird. Der junge Padrone Simone stammt aus einer Fischhändlersippe und pflegt beste Kontakte zu den lokalen pescatori. In der Küche steht sein Bruder.
Ich habe beim ersten Mal gratinerte Tropeazwiebel, fangfrischen lokalen Thunfisch mit verschiedenen Chutneys aus den berühmten fast süßen cipolle, dann ein puristisches meerfrisches Tagesfang-Fischfilet mit einem Faden Zitrusolivenöl gegessen und dazu einen mineralischen Pecorello aus autochthoner Weißweinrebe getrunken.

Seitdem habe ich das Menu kaum gewechselt. Mal kam eine rare Delikatese wie Pasta mit Seeigelrogen oder Zwiebelsüppchen mit Moscardini, sprich Minioktopussen, dazu. Jedesmal freue ich mich auf das Patea, wenn ich mit meinen Gourmetreisen nach Tropea komme.

Die Überraschung bei Simone besteht darin, welchen kapitalen Fisch er diesmal besorgt hat, wie er ihn mit berechtigtem Stolz präsentiert und mit welcher Grandezza er ihn vor aller Augen filettiert. Auf die Karte schaue ich nicht, sondern folge Simones kundigen Zubereitungstipps, die individuell auf die verschiedenen Fische und ihre Größen abgestimmt sind: Al forno im Rohr, in Salzkruste, gegrillt oder ganz lokal mit süßen Tomaten und Oliven in einen Schuß Salzwasser geköchelt.

Das letzte Mal war eine kulinarische Überraschung fällig, die ich so schnell nicht vergessen werde. Zum schneeweißen Fleisch eines 4 kg schweren erdbeerfarbigen Fragolino, zu deutsch Rotbrasse, gab es ein Rezept der Großmutter: Mandeln mit Agrumen, also mit Orangen, Zitronen und Bergamotten zerstampft, bittersüß schmeckend: Selten habe ich Aparteres zum Fisch gegessen als dieses kalabresische Pesto.

Darauf ist das Schlichteste gerade gut genug: ein halber Cannolo mit Ricotta und kandierten Früchten. Ein Rezept aus Sizilien, dessen nördlichste Insel Stromboli von Tropea aus am Horizont zu sehen ist.
Alla prossima!

LA CONCHIGLIA DA PATEA
Largo Sannio
I – 89861 Tropea
0039 0963 378951