Paul Bocuse hat es vor Jahren mit seinen Lyoner Brasserien Le Nord, Le Sud und L’Ouest vorgemacht.
Heute gibt es kaum noch einen 3-Sterne-Koch, der seine Prominenz nicht dadurch versilbert, dass er günstigere Zweitlokale eröffnet. Dort kann es allerdings passieren, dass die Erwartung, beim Starkoch um relativ wenig Geld zu essen, in Enttäuschung umschlägt, da die Brillanz des Stammhauses nicht unbedingt transferiert wird und man für eher austauschbare Gerichte letzlich doch den Promi-Aufschlag zahlt.
Umso erfreulicher ist es, dass das Hotel Traube Tonbach für das Schatzhauser eine eigenständige gastronomische Philosophie mit hohem Qualitätsanspruch entwickelt hat. So ist das Schatzhauser eben nicht Schwarzwaldstube light, was auch damit zu tuin hat, dass der dortige 3-Sterne-Koch Torsten Michel kein Mann des aufdringlichen Medienrummels ist und allenfalls beratend für die weitere Gastronomie des Hauses tätig ist, aber nicht überall mit seinem Namen und Renommée wirbt.
Zwar muß der Gast wie in der Schwarzwaldstube nicht ganz auf internationale Finessen verzichten – das fluffigste Tempura von kapitalen argentinischen Rotgarnelen mit frischgerührter Wasabi-Mayonnaise, stylish als Eby Karaage ausgeschrieben, entpuppt sich als Snack mit Suchtpotential. Omaha-Steaks, aus Nebraska importiert und stilsicher mit Wildbrokkoli, der mit Yuzu und Sesam aromatiert ist, und Café-de-Paris-Butter serviert, versprechen höchstes Grillvergnügen.
Doch die eigentliche Attraktion des nach einer Märchenfigur des schwäbisdchen Dichters Wilhelm Hauff benannten Restaurants ist, dass man hier heimische Küche in Gourmet-Qualität zu passablen Preisen kriegt.
Meine durch norddeutsche Hochzeitsuppen verwöhnte Tischdame pries die kräftige Bouillon in höchsten Tönen wegen der sagenhaft flaumigen Markklößchen. Die cremige Steinpilzsuppe setzte mit der Einlage von Pfaffenstückchen vom Huhn (in Feinschmeckerzirkeln besser unter dem französischen Betriff sot-l‘y-laisse „Ein Narr wer das nicht isst“ bekannt) lukullische Maßstäbe, ohne ihre deutsche Identität ganz aufzugeben.
Rehragout mit Preiselbeeren und knuprige Entenkeule mit ihren Beilagen: Die wie stämmige Mikado-Stäbe ausgerichteten Schupfnudeln perfekt gebräunt und solche selbstgemachten Kartoffelklösse mit Butterbrösel bekommt man in unserer deutschen Instant-Tüten-Knödellandschaft eigentlich fast nur noch zu Hause. Besonders erfreulich: Ganz wie im 3-Sterne-Restaurant werden Kännchen mit meisterlich gezogenen Saucen gereicht.
Kein Zweifel. In deutschen Landen, wo ehrliche Gasthausqualität selten geworden ist, ist man gut beraten, wenn man feine Hausmannskost im minimalistisch abgedunkelten Restaurant-Ambiente des Schatzhauser speist. Es spricht für die Weitsicht der Besitzerfamilie Finkbeiner, auch den bodenständigen gastronomischen Sektor abzudecken. Dazu kommt ein umfangreiches, eigens auf das Schatzhauser abgestimmtes Weinangebot. Fair kalkuliert – bietet es bereits für knappe Geldbeutel Einblicke in die legendäre Weinsammlung des Hauses, ohne den Sektor französischer und deutscher Spitzentropfen zu vernachlässigen.
SCHATZHAUSER
Tonbachstr. 237
72270 Baiersbronn
07442 492665
www.traube-tonbach.de