2023 war Stockholm europäische Hauptstadt der Gastronomie. Eine skandinavische Gourmetdestination, die auf der Erfolgswelle der Nordischen Küche reitet, die vor gut anderthalb Jahrzehnten durch den Welterfolg des Noma in Kopenhagen ausgelöst wurde?

Dass das nicht nur ein Hype ist, sondern diese Auszeichnung Substanz hat, verrät schon ein Blick in eine der schönsten und elegantesten Food Halls der Welt. Was in der Östermalms Saluhall, einem „Backsteintempel“ von 1888 angeboten wird, lässt auch Kenner französischer oder italienischer Markthallen mit der Zunge schnalzen. Klar, dass hier die Palette gallischer Fromages und mediterraner Salamis ausliegt, aber dazu gesellen sich ausgefallene nordische regionale Spezialitäten: Algenbutter, Rentierschinken, Preiselbeermarmelade oder pistaziengrüne Porinzessinentörtchen und Kardamomschnecken. Besonders faszinierend: Käsestände wie Arla Unika, die gereiften Västerbottenost mit Salzkristallen oder Rohmilch-Wrångebäck affinieren und Fischspezialisten wie die Hoflieferantin Lisa Elmqvist, die vom Skrei bis zum Steinbutt, vom Estragon-Remoulade-Strömming bis zum Kronsild eine betörende Vielfalt am Meeresspezilitäten anbietet.

Auch beim Bummel durch die Straßen nördlich des Kungstsrädgårdens und des Berzelii-Parks fällt auf, mit welch stilsicherer Lässigkeit die Tische der Restaurants eingedeckt sind. Ein Hauch von Pariser Boulevards, dazwischen Designer-Bistros, die portugiesische, jiddische oder koreanische Speisen auftischen. Kulinarisch ist Stockholm eine Weltstadt, die auch mit wunderschönen Museums-Cafés punkten kann. Ein Skagen-Toast mit Nordseekrabben und rotem Kaviar in der lichten Küche des Prinzenmalers Eugen in der Villa Waldemarsudde gehört zu den ästhetisch-kulinarischen Hochgenüssen der Metropole.

Dass daneben auch alteingesessene Gaststätten Top-Qualität bieten, beweist das trotz seiner Größe häufig ausgebuchte Pelikan im einstigen Arbeiterviertel Södermalm, dessen Wurzeln auf eine Weinhandlung von 1664 zurückgehen. Die holzgetäfelte heutige Gaststätte datiert aus dem Jahr 1904. Im historistischen Zeitgeistig erbaut, mag sie an mythische Trinkhallen wie im Beowulf-Epos erinnern oder an bayerische Bierkeller, wären da nicht die nautischen Gemälde an der Wand. Künstlerisch moderner geht’s links in der großzügigen Bar zu.

Die Gaststätte zielte zunächst darauf, durch gutes Essen die gesetzlichen Einschränkungen des Alkoholkonsums zu sublimieren. Das köstliche Essen ist geblieben, die Menge des Alkohols orientiert sich heute eher daran, wie häufig sich die vielen Einheimischen die stadtüblichern Preise von ca. 100 Kronen (9 €) für exzellentes heimisches Kellerbier oder ca. 150 Kronen für ein Glas Wein leisten wollen – eine riesige Auswahl an brännvin, sprich Aquavit gibt schon ab 27 Kronen pro Centiliter! Dazu fand ich die zimtig marinierten Matjes, die mit Bröckchen von süßem Schwarzbrot, lauwarmen Karfoffelscheiben, einem pochierten Ei und Dill serviert wurden, derart fein aufeinander abgestimmt, dass ich am nächsten Tag das gleiche noch einmal probieren mußte. Köttbullar sind hier nicht irgendwelche lieblosen Convenience-Klopse, sondern kommen in einer nach allen Regeln der Kunst eingeköchelten, nach Wild schmeckenden Sauce auf den Teller, kanonisch begleitet von süß eingelegten Gurken, Preiselbeeren und Kartoffelbrei im Silberschälchen. Und die apart mit Kapern angerichte Kalbsleber anglaise ist auch nicht zu verachten.

Ich komme wieder. Ich habe ein Stammlokal in Stockholm.

PELIKAN
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