Wie schafft man es nur, so authentisch zu sein und trotzdem nicht in den Sterneguides zu stehen? Was die Stammgäste der Osteria Italiana ausgesprochen freut, denn auch so ist es schwer genug, einen Tisch zu ergattern.
Das liegt auch am Ambiente. Denn Deutschlands ältester Italiener wurde 1890 eröffnet und hat viel von dem Flair bewahrt, als unsere kulturelle und künstlerische Elite in den südlichen Charme Italiens vernarrt war. Der „italienische Salon“ wartet mit Ölgemälden des Golfs von Neapel und statuengeschmückter Villengärten der römischen Campagna auf. Der Cortile mit Brunnen und Tempietto strahlt filmreife italianità aus. Die souverän herumwusendelnden Ober in schwarzer Weste und bodenlanger weisser Schürze tragen zum Eindruck einer niemals steifen, aber immer eleganten Edeltrattoria bei: sprezzatura!
Die getäfelte Inneneinrichtung, die ein wenig an bayerische Wirtshäuser, ein wenig an dunkle Bologneser Schänken erinnert, war so gewollt. Denn Osteria war 1890 noch kein Schickeriawort für regionales Schlemmen, sondern stand für eine volkstümliche Trinkstube, einen Ort zum Zechen. Angeblich soll der erste Wirt namens Sepp Deutelmoser ordentliche bastumwickelte Frascati-Flaschen auf den Tisch gestellt und dazu nebenbei bayerische Brotzeiten serviert haben. Wenns nicht wahr ist, ists gut erfunden.
Das hat sich jedenfalls geändert. Die Osteria ist ein posto für feine, aber niemals abgehobene Küche. Hier serviert man Klassiker wie frischgerührtes Risotto oder frischgerührte Zabaglione, delektiert sich an Wolfsbarsch in Salzkruste oder Pasta mit Entenragout. Im Winter gibt es Bollito Misto, wers fleischfreier schätzt, kann sich an gegrilltem Radicchio erfreuen.
Was es nicht gibt, ist Bier oder Cola, Pizza oder Nudeln als Hauptgericht. Kurzum, kein Platz für Eat&Go und schnelle Mittagsmenus, sondern für Tischgespräche und genussvolles Verweilen bei einer typisch italienischen Menufolge. Das hat einen dem Rahmen angemessenen Preis.
Trotz ihrer altehrwürdigen Vergangenheit ist die Osteria erfrischend wenig eingedeutscht, sondern eine kulinarische Exklave, in der man sich spontan in ein heiteres Italien versetzt fühlt. Das liegt auch am souveränen Zusammenspiel der beiden Padroni. Feuerkopf Prisco aus dem Süden und der bedächtigere Egidio aus der Emilia waren erprobte Camerieri, als sie erfuhren, daß die Osteria durch einen Investor entrümpelt und totalmodernisiert werden sollte. Das Duo beschloss, dieses einzigartige Ensemble zu retten und wagte den Sprung in eine erfolgreiche Selbstständigkeit, die ganz all’italiana auch darauf beruht, Erprobtes nicht hektisch zu ändern. Grazie für dieses Kleinod Münchner Gastlichkeit!
(PS für Anekdotensüchtige: Es ist richtig, daß Hitler in der Osteria von seiner britischen Verehrerin Unity Mitford gestalkt wurde. Für NSdAP-Größen war das Lokal praktisch, da es wenige Schritte entfernt von der Redaktion des Völkischen Beobachters lag)
Osteria Italiana, Schellingstr. 62, 80799 München, Tel. 089 2720717, www.osteria.de