„Wir im Ruhrpott beneiden Euch Süddeutsche um Eure Wirtshauskultur und Regionalküche. Wir haben ja keine richtige eigene.“ Dass habe ich oft auf gastrosophischen Vorträgen zwischen Dortmung und Bottrop, zwischen Hamm und Herne gehört.

Falsch! Auch wenn mancher Ruhrpottler sein Budget lieber für odentlich gezapftes Pils ausgibt und deswegen Speisegaststätten weniger dicht gesät sind, so habe ich doch in Schlachtereien ausgezeichnete Wurstwaren in der Art von Ratinger Dummeklemmern (ich weiß, nicht mehr ganz Ruhrpott) und in kleinen handwerklichen Bäckereien tolles dunkles Brot gefunden. Ganz zu schweigen von einem ordentlichen Pfefferpotthast oder einer wiederentdeckten vegetarischen Delikatesse aus der Arme-Leute-Küche: Stielmus, die NRW-Variante der mittlerweiler bekannteren apulischen cime di rapa. Die dafür verwendeten Rübstiele wurden früher oft im eigenen Gärtchen gezogen. Bereichernd finde ich auch, daß die vielbeschworene polnische Einwanderung des 19. Jh. sich nicht nur in Fußballernachnamen äußert, sondern auch selbstbewußt wieder auf einheimischen Speisekarten thematisiert wird: Neulich habe ich Bigos in einer Recklinghausener Kneipe gegessen.

Nicht zu vergessen: Es gibt es eine Tradition der Bergmannsverpflegung, die vielleicht keine Gourmetküche hervorgebracht, aber dafür solide stärkende Hausmannskost. Und ein ganz eigenes Essgeschirr-Design wie den altvertrauten Henkelmann, in dem man warme Mahlzeiten von zu Hause mitnehmen kann.

Ich finde es prima, daß die im Sommer 2020 eröffnete Kantine des Bergbaumuseums in Bochum nicht nur Porträtfotos von kohleverschmierten Kumpels mit  Schutzhelmen an die Wände pinnt und minimalistische Grubenlampen aufhängt. Sondern daß sie auch die Email-Pötte zitiert, aus denen die einfachen Leute, die sich kein Porzellan-Service leisten konnten, früher gelöffelt haben. Currywurst ist seit ja spätestens seit Herbert Grönemeyers gleichnamigem Lied ein Claim Bochums. Und zuzugeben, mit größerer proletarischer Stilsicherheit, ja Eleganz habe ich sie auch in Berlin nicht gegessen, als im Kumpels. Begleitet von zeitgeistigen Süßkartoffelfritten und gezwiebelter Joppiesauce, einer kulinarischen Nachbarschaftshilfe aus dem nahen Holland, liegen die Wurstscheiben im weißen Vintage-Email mit schmalem blauen Rand. Dazu ein lokales Bochumer Fiege-Pils, stilecht direkt aus der Bügelflasche gezischt. Alternative: ein im lippischen Detmold von zwei „Pottkindern“ gebrautes Craftbeer mit dem verblüffenden Namen Mücke. So hieß, wer hätte es gewußt, das letzte Grubenpferd, das unter Tage auf der Essener Zeche Zollverein, die längst UNESCO-Weltkulturerbe ist, unter grausamen Bedingungen schuftete.

Natürlich gibts auch anderes mit Bodenhaftung: Eintopf oder der sättigende Salat vonne Helga, der unter der Rubrik Schrebergarten firmiert und mit Linsen, Kartoffeln, Bohnen, Rotkraut, Gurken, Tomaten und Lattich wie bei Muttern in der Wirtschaftswunderzeit schmeckt. Zu abendlichen Events erzielt die Küche augenzwinkernd Aufmerksamkeitseffekte mit Mettigeln vom Rind, die mit schwarzem Grubensalz bestreut werden.

Ein Themenlokal der geistreichen Sorte wie das Kumpels beweist, daß Museumsgastronomie nicht automatisch geklonte Varianten des Themas Cappuccino & Ciabatta hervorbringen muß, sondern daß man sensibel auf die Exponate des Hauses eingehen kann. Es zeigt, wie man auch aus einem scheinbaren kulinarischen Niemandsland ein spannendes regionales Angebot herausholen kann. Und es vermittelt überzeugend den berechtigten Stolz auf  Einfaches, auf harte Arbeit, gute Suppe und wohlverdientes Bier.

Das Kumpels ist erfrischend anders und eine der individuellsten Bewirtungsideen der Bundesrepublik. Auch wenn das watte willst nicht für die Kantine gilt, sondern eine liebenswerte Maßnahme des auch für Milieufremde absolut sehenswerten Bergbaumuseums war, um während der Corona-Belastungen soziale Benachteiligungen abzufedern und auch ärmeren Familien den Besuch zu ermöglichen.

Kumpels

Deutsches Bergbaumuseum Bochum

Am Bergbaumuseum 28

44791 Bochum

www.kumpels.de