Hauchdünne Zucchini-Blätter, origami-mäßig zu einer Agraffe von Smaragd-Schlingen gefaltet, auf deren Köpfchen dunkelrote Forelleneier wie winzige Granatsplitter appliziert sind. Solche Juweliersküche erschöpft sich zuweilen als kulinarisches art pour l‘art. Nicht so bei der weitgereisten slowenischen Autodidaktin Ana Roš, die als weltbeste Köchin gehandelt wird. Handwerkliche Brillanz geht hier Hand in Hand mit feinabgestimmten, aber kontrastreichen geschmacklichen Nuancen unter dem Leitmotiv frühsommerlicher Impressionen.
Geistreich, individuell, anmutig die Struktur der Speisekarte. Der Modebegriff from nose to tail wird nicht nur als Pflichtvokabel runtergeleiert sondern augenzwinkernd radikal auf Nichtfleischliches erweitert: Kalte Mandelsuppe wird von Spänen gedörrter Pfirsichhaut begleitet. Die von Anglern aus aller Welt hochgeschätzte Forelle aus dem Soča-Tal hat Spannenderes als Filets zu bieten, z.B. eine Degustation von krossgebratener Haut und omegadreisäurenreicher Fischleber oder eine ätherische Consommé mit Verveine.
Ana Roš und ihr Team, das junge Enthusiasten aus aller Welt umfasst, haben sich ein Stakkato von 20 Gängen einfallen lassen, das nie ermüdet, nie zu repetitiv, nie zu üppig wird. Das mag neben der auf abwechslungsreiche Präsentation setzenden Regie auch daran liegen, daß in der ochsenblutrot gestrichenen Stube ein kräuteraffines weitgehend vegetarisches Feuerwerk abgebrannt wird.
So ein Paradegericht asiatischer Reduktion ist das Buchweizen-Beignet, ein knuspriger Tennisball, demonstrativ schlicht auf Feigenblatt drapiert. Gefüllt mit einer köstlichen warmen Mousseline aus heimischem fermentiertem Gebirgsbrimsen und Steinpilzen.
Überhaupt wird der Dialog mit der hochaktuellen japanischen Küche forciert. Auf glasierter und stumpffarbener Keramik werden Ideen gereicht wie eine bewußt nicht entgrätete Sardine mit schwarzer Zitrone und Kombu-Algen oder ein Mochi-Küchlein, gefüllt mit Birnenbutter und jungem Tolminc-Käse aus dem oberen Soča-Tal.
Das Menü des „Hauses Franko“ ist eine Fundgrube erlesener und ausgefallener Aromen und Produkte: Hirschfilet wird mit fermentierten Magnolienblüten und Garum aus Bienenpollen serviert, das Alpenlamm aus dem nahen Bauerndorf Drežnica von einer „falschen Guacamole“ aus Liebstöckel und geräuchertem Ei begleitet.
Ein Raviolo, gefüllt mit Spanferkel-Faschiertem von der vor dem Aussterben geretteten schwarzbunten Krškopolje-Rasse. Dazu ein Sugo aus Kirschen, Holunderblüten und wildem Kren: so eine Pasta-Kombination muß man sich wenige Kilometer von der italienischen Grenze entfernt erst einmal trauen. Doch es gibt auch kulinarische Fermaten, ruhige Klassik, die in ihrem bäuerlichen Traditionsstolz sich selbst genügt: Die Heukartoffel oder der süchtig machende dunkelkrustige Sauerteiglaib, in den die hauseigene Brotfee Nataša Durić rote Zwiebeln verbacken hat, gereicht auf Holzbrett mitsamt Rohmilchbutter und ihrer Buttermilch. Ein archaischer Auftakt, mit dem das Hiša Franko spontan das Herz des Gastes gewinnt. Eigentlich möchte man ein zweites Mal kommen, nur dieses Wunderbrot verzehren, dazu Malvazija, Vitovska oder roten Teran-Refošk probieren und sich vom kundigen Service, lässig schwarzgekleidet mit weißen Sneakern, all die spannenden Reben des slawischen Landes erklären lassen.
Die einstige Dorfwirtschaft am Fuß der Julischen Alpen hat sich zu einem hochinnovativen Restaurant entwickelt, das sensibel mit zeitgeistigen Trends spielt und ihnen nie epigonenhaft eine individuelle Note abgewinnt.
Es ist ein bißchen wie früher mit der Weltliteratur. Ein namhafter Schriftsteller kann die Aufmerksamkeit des kultivierten Globus auf sein kleines Land lenken. Für die slowenische Küche und die Produkte dieser jungen Nation leistet das Ana Roš brillant.