Der Uenopark mit seinen in Kirschbäumen zirpenden Zikaden gehört zu den reizvollsten Oasen Tokyos. Hier versteckt sich neben einem Shinto-Schrein das seit 1875 familiengeführte Restaurant Inshotei.
Die Gäste werden im traditionellen Kaiseki-Stil mit einer tiefen Verbeugung begrüßt und in dem verwinkelten Holzhaus in mit Tatami-Matten ausgelegte Speiseseparées geführt. Wir nehmen auf Sitzkissen am Boden Platz. Nach dem heißen Schweißtuch werden die ersten Tabletts mit minimalistischen Appetitanregern gereicht. Aus Keramikschalen schlürfen wir eine gelbcremige Suppe aus mit Eidotter verquirltem Tofu. Eine Halbkugel von seidigem okaratofu wird gekrönt von einem Klecks gereifter Misopaste.
Soya wird weiter durchdekliniert: in die weiße helle Misosuppe, die im Lackgefäss serviert wird, ist ein Würfel von gummösem Weizentofu eingelegt, gesprenkelt mit schwarzen Sesamkörnern, drapiert mit japanischem Senf und grüner Bohne.
Nach diesen vegetarischen Entrees kommt der große Auftritt des Sukiyaki. Großmeisterlich geschnittene Scheiben von Huhn, die immer auch Haut und einen kleinen aromenverstärkenden Fettrand umfassen, werden von der im Kimono gekleideten Bedienung hereingetragen und persönlich mit Stäbchen in Sauce gegart. Einfach ein anmutiger Anblick.
Der erste Durchgang dieses Fondues wird pur in Eidotter gerührt, was zusammen mit der leicht süßen Sukiyaki-Sauce ein köstliches Aroma ergibt. Das zweite Schüsselchen wird mit frisch blanchierten Hokkaido-Zwiebeln und Weizentofu verzehrt. Zum dritten Nachschlag werden große Büschel bitterer Brunnenkresse, die den Appetit anregt, gereicht.
Die Symphonie geht weiter mit einem Zwischengang zum Knabbern: ein knuspriges Hühnerflügelchen mit pikantem Piment.
Ein hochästhetischer Anblick ist schließlich das Hühnerfaschierte, das in einem offenen grünen Bambusrohr präsentiert, in Klößchen portioniert und in die immer würziger werdende Sukiyaki-Bouillon geschnippt wird. Dazu gibt es eine vegetarische Delikatesse, Tofuhaut (yuba) und dicke glitschig flutschende durchsichtige Nudeln.
Reis schließt den Magen. Das Tokyoter Risotto wird in der eingeköchelten Brühe angemacht, mit Eidotter verquirlt und frischem Mitsuba-Kraut gewürzt. Ein magenschonender Abschluss, der mit einem Dessert von umwerfender Origami-Eleganz gekrönt wird. In grüne Blätter ist ein Miniballen, eine Art Gummibonbon eingefaltet, das im Inneren den zartsüssen Geschmack von roter Bohnenpaste freigibt.
Ein ästhetisches Gesamt-Erlebnis, das mit Einkäufen abgeschlossen werden kann. Beim Ausgang lassen sich winzige gerösteter Äugleinbohnen und ein Tofupulver erwerben, das als Frühstücksgetränk aufgegossen werden kann. Und das nächste Mal überleg ich mir, ob ich mich in diesem wunderbaren Etablissment nicht endlich einmal an ein Kugelfisch-Menu traue.
Inshotei. 4-59 Ueno Park. Taito-ku. Tokyo 110-0007
www.innsyoutei.jp